Gestalt- oder Wahrnehmungsgesetze

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Max Wertheimer (1880-1943) | Wolfgang Köhler (1887-1967) | Kurt Koffka (1886-1941)
Wolfgang Metzger (1899-1979) | Kurt Gottschaldt (1902-1991) | Edwin Rausch (1906-1994)

Die Gestalt- oder Wahrnehmungsgesetze, die in sehr unterschiedlicher Auslegung aus der Arbeit der genannten Psychologen entwickelt wurden, geben viele Denkanstöße für den Gestaltungsprozess.
Eigentlich wissen wir das alles – aber ist es uns wirklich bewusst? Und beachten wir es?
Es lohnt sich, sich diese Zusammenhänge immer mal wieder anzuschauen und wirken zu lassen.

 

Figur-Grund-Beziehung

Alles was wir sehen, gliedern wir in Vorder- und Hintergrund. Diese Unterscheidung hilft uns bei der Orientierung und bei Relevanzentscheidungen.
Wann in unserer Wahrnehmung eine Form als Figur erkannt wird, hängt vom Zusammenspiel diverser Faktoren ab, die im Folgenden näher betrachtet werden.

Geschlossenheit

Formen, die teilweise oder vollständig von Konturen umschlossen sind, werden als Figur erkannt.

Bildwechsel bei Mouse-Over

Relative Größe

Formen, die im Verhältnis zur Umgebung relativ klein sind, werden eher als Figur erkannt.

Vergleichen Sie: welche Flächen wirken als Figur, welche als Hintergrund?

Bildwechsel bei Mouse-Over

Symmetrie

Symmetrische Formen werden gruppiert und als Figur erkannt.

Bildwechsel bei Mouse-Over

Parallelität

Parallele Formen werden gruppiert und als Figur erkannt.

Bildwechsel bei Mouse-Over

Kippbilder

Manchmal kann keine klare Trennung von Vorder- und Hintergrund vorgenommen werden. Man spricht von sogenannten Kippbildern.

Bildwechsel bei Mouse-Over

xxx parallel

xxx figur-grund

 

Figur-Figur-Beziehung

(Binnengliederung)
Auch bei der Kombination und Überlagerung mehrerer Figuren deuten wir nach bestimmten Prinzipien:

Nähe

Formen mit geringem Abstand zueinander werden gruppiert und als zusammengehörend wahrgenommen. (Mouse-Over)

xxx naehe

Ähnlichkeit

Ähnliche Elemente werden als zusammengehörend wahrgenommen.
Je mehr Eigenschaften übereinstimmen, desto deutlicher wird die Zusammengehörigkeit wahrgenommen.

Hier werden durch nahe gelegene Elemente Zeilen gebildet.
Durch die Änderung von Eigenschaften (Füllfarbe) wird die Nähe "überboten" und es entsteht eine Spaltenwirkung. (Mouse-Over)

xxx aehnlich

Fortsetzung

(Gesetz der durchgehenden Linie)
Linien werden bevorzugt als gleichmäßige, durchgehende Kurven oder Geraden wahrgenommen.

Bei dieser Kombination sehen wir ein Dreieck und ein Viereck (Mouse-Over), obwohl es mehrere Möglichkeiten gibt, die sich kreuzenden Linien in Teilfiguren zu zerlegen (Mouse-Click).

xxx durchgehende-linie-2

 

Fläche-Raum-Beziehung

Unsere Erfahrung des Raumes wird auch auf flächige Darstellungen übertragen. Im Beispiel erkennen wir trotz einer vereinfachten linearen Darstellung drei Formen (Mouse Over) in einer eindeutigen räumlichen Anordnung. Eine Deutung als drei komplizierte, in der Fläche aneinander gesetze Gebilde wird ausgeschlossen (Mouse-Click).

xxx ueberlappung

 

Übergreifende Prinzipien

Die dargestellten Faktoren treten häufig gemeinsam auf und können miteinander in Konkurrenz treten. Dadurch bieten sich verschiedene Deutungsvarianten an. Dennoch gibt unsere Wahrnehmung meistens einer Variante den Vorrang. Generell und übergreifend kommen dabei die folgenden Prinzipien zur Anwendung, die wie ein Rahmen für die Gestaltgesetze aufgefasst werden.

Prägnanzprinzip

Wenn es mehrere Deutungsmöglichkeiten gibt, dann setzt sich die einfachste, prägnanteste durch.

In diesem Fall ist ein Dreieck auf drei Kreisen (Mouse-Over) die einfachere Interpretation gegenüber drei unvollständigen Kreisen (Mouse-Click).

xxx praegnanz-2

 

Wahrscheinlichkeitsprinzip

Sinneseindrücke werden mit gespeicherten Informationen abgeglichen.
Nicht immer muss alles gezeigt werden – fehlende Elemente werden vom Gedächtnis ergänzt.

xxx erfahrung

 

 

Visualisierungen auf der Basis von Abbildungen aus: 
Wohlschläger, A., Prinz, W.: Wahrnehmung.
in: Spada, H. (Hrsg.): Lehrbuch allgemeine Psychologie. Huber, Bern 2006.